Am Sporn des italienischen Stiefels

Gargano

Italy

Die zerklüftete Kalkstein-Nase des Gargano unterbricht im Norden der Provinz Apulien den gradlinigen Verlauf der Adriaküste. Steile Klippen und Sandstrände sorgen hier für Abwechslung.

Impressionen

Kristallklares Wasser gurgelt in Höhlen und Spalten, bricht sich rasselnd in kiesigen Buchten. Krumme Kiefern klammern sich an Felssporne. Trutzige Festungen wachen über pittoreske Hafenstädtchen. Auf karstigen Höhen streifen Rinder über bunte Blumenwiesen. Die obersten Kuppen bedeckt saftiger Laubmischwald. All das macht den Gargano aus. Der Sporn des italienischen Stiefels ist aber nicht nur geografisch herausragend. Im schwer zugänglichen Vorgebirge hat sich eine einzigartige Flora und Fauna erhalten. Deshalb hat der Gargano Nationalparkstatus.

Die abwechslungsreiche Küste ist auch ein beliebtes Badeparadies. Ferienzentren und Campingplätze gibt es deshalb in enormer Zahl. Weil sich die Region auf Badetourismus spezialisiert, ist die Saison sehr kurz. Ein Großteil der Einrichtungen öffnet seine Pforten erst im Mai oder Juni. Geschlossen werden die Plätze spätestens Mitte Oktober, die meisten bereits im September. Übrigens ist nur ein Bruchteil des Campingangebots in deutschen Campingführern verzeichnet. Wir waren mit dem Caravan ab der zweiten Aprilwoche für mehrere Wochen am Gargano unterwegs. Der frühe Zeitpunkt bietet viele Vorteile: Man vermeidet Hitze, Verkehrschaos und Menschenmassen. Er hat aber auch Nachteile: Das Meer ist noch sehr kühl und weil fast niemand badet, sind die meisten Strände noch nicht gesäubert, es gibt weder Liegen noch Schirme zu mieten. Viele Läden, Restaurants und Museen haben noch geschlossen, Schiffsausflüge auf die viel gerühmten Tremiti-Inseln werden noch gar nicht angeboten, Bootsfahrten zu den bizarren Grotten nur vereinzelt. Die Campingplatz-Auswahl ist Anfang April noch äußerst gering, erweitert sich aber von Woche zu Woche.

 

Vieste ist der wohl bekannteste Ort des Gargano – malerisch auf einem Felssporn gelegen. Die Häuser am Rand der Steilküste werden mit Stützkonstruktionen vor dem Absturz ins Meer bewahrt. Auf der höchsten Erhebung liegen Fort und Kirche, vor der Spornspitze Inseln mit Leuchtturm, daneben durch eine Mole geschützt der Fischerei- und Yachthafen. Von dort starten Ausflugsschiffe zu den nordwestlich gelegenen Tremiti-Inseln und zu den Grotten an der südlichen Küste. Beidseits der Halbinsel dehnen sich feinsandige Badebuchten. Und um die Szenerie perfekt zu machen, ragt ein 20 Meter hoher Kalksteinturm, genannt Pizzomunno, am Südstrand auf. Die Spiaggia Scialara ist von einer Uferpromenade gesäumt. Hinter der teils löchrigen Strandstraße reiht sich ein Ferienresort ans andere. Nicht alle reichen bis an den Strand. Besonders beliebt ist die weite Bucht bei Surfern. Weiter in nordwestlicher Richtung reiht sich eine Bucht an die andere, jede malerischer als die vorige. Und in vielen gibt es Campingplätze.

Peschici ähnelt in mancher Hinsicht Vieste. Das Fischerdorf liegt auf einem Felssporn, hat eine pittoreske Altstadt mit Kastell, engen Gassen und Treppen. Es gibt einen Hafen, von dem Ausflugschiffe starten und einen wunderbaren Sandstrand. Die schönste Aussicht auf die Stadt hat man von der Hafenmole. Schon ein flüchtiger Blick bei der Anreise lässt erkennen, dass es unmöglich ist, das hoch gelegene historische Stadtzentrum mit dem Campinggefährt zu durchqueren. Dabei scheint es so, als würde der Weg zwangsläufig dorthin führen. Zum Glück täuscht der Eindruck. Die steil ansteigende Straße macht auf halber Höhe eine scharfe Kurve und es eröffnet sich eine Umgehungsmöglichkeit.

Rodi Garganico, westlich von Peschici gelegen, lohnt einen Besuch. Aber nur mit Pkw. Für Gespanne ist die Strecke über Rodi wegen der verwinkelten Straßen und spitzwinkligen Abbiegungen weiträumig gesperrt. Auch Rodi verfügt über lange Sandstrände. Die Aussicht von oben ist wunderbar, überall lassen sich im Gassengewirr romantische Ecken und versteckte Läden finden, in die sich kaum ein Tourist verirrt.

Vico del Gargano sollte man mit Anhänger ebenfalls meiden. Sehenswert ist das historische Zentrum des 445 Meter hoch gelegenen Bergnests. Es steht auf der Liste der „schönsten Dörfer Italiens“, ist aber vor allem ein Tor zur Foresta Umbra. Der Weg zum geschützten (Ur)Wald führt auf der Kuppe eines Bergkamms entlang, der sagenhafte Aussichten über Wiesen, Wälder und Meer bietet. Im Foresta Umbra hat sich das Astwerk von Eichen, Buchen, Ulmen, Eiben und Kastanien im Laufe vieler Jahrhunderte dicht miteinander verwoben. Von Efeu und Moos bedeckt bilden die Bäume ein geheimnisvolles Schattenreich. In der Hochsaison ist der Wald stark frequentiert, auf den markierten Waldwanderwegen abseits der Straße trifft man jedoch kaum noch Menschen. Als schöne Strecke empfiehlt sich die Umrundung eines 800 Meter hoch gelegenen kleinen Sees unweit des Besucherzentrums.

Monte Sacro, der „Heilige Berg“ des Gargano, erhebt sich südlich der Foresta. Unweit des 852 Meter hohen Gipfels liegt die Ruine einer mittelalterlichen Abtei versteckt im Wald. Dorthin führen nur Wanderwege. Die Bergflanke fasziniert vor allem durch die einmalige Blumenvielfalt auf den extensiv genutzten Weiden – besonders im Frühling. In dieser Jahreszeit dominieren blaue Schwertlilien. Die Sensation sind allerdings wilde Orchideen. Viele Wanderer reisen allein ihretwegen in den Gargano. 60 Orchideen-Arten soll es dort geben.

Auch wer sich nicht für Blumen interessiert, wird die herrliche Landschaft und das Panorama genießen. Die beste Ausgangsbasis für die Wanderung bietet der Agriturismo Monte Sacro (www.agriturismomontesacro.it), eine Bergalm mit Meerblick auf 600 Metern Höhe. Man kann dort die lokaltypische Küche probieren, Produkte des Hofs erwerben und sogar campen. Wer ein kleines Reisemobil hat, kann die Auffahrt über die größtenteils einspurige Straße wagen, die oberhalb von Mattinata von der SS 89 (Richtung Vieste) abzweigt. Die Alm ist ausgeschildert.

Auf den Bergflanken des Monte Sacro blühen Schwertlilien und Orchideen. Wie hier am Testa del Gargano bieten Bauern regionale Produkte an ihren Freiluftständen an. Die alte Festung zählt zu den Attraktionen der Stadt Monte Sant' Angelo.

Monte Sant‘ Angelo liegt westlich der Stadt Mattinata. Es ist der Berg des heiligen Erzengels Michael, der hier oben gesiedelt haben soll. Verbürgt ist, dass es hier seit 493 n.Chr. eine geweihte Höhle gibt, die seither Jahr für Jahr Massen Gläubiger anzieht. Noch mehr Gewicht als Pilgerstätte hat heute das nahe gelegene San Giovanni Rotondo. Es ist zu Ehren des 1968 verstorbenen Kapuzinermönchs und Wunderheilers Padre Pio entstanden. Die moderne Kultstätte haben wir gemieden, fanden es aber lohnend, die vielen Serpentinen nach Monte Sant‘ Angelo hochzufahren. Zu besichtigen sind ein altes Kastell und das Grottenheiligtum. Für Reisemobile gibt es oben vor der Stadt einen großen Parkplatz, einen Caravan sollte man lieber nicht mitführen.

Spiaggia di Vignanotica erreicht man über die Küstenstraße, wenn man aus Vieste Richtung Süden fährt. Die Straße schlängelt sich an zahllosen Buchten vorbei, bewacht von historischen Aussichtstürmen. Teilweise führt sie in atemberaubender Höhe über dem Meer entlang, teils etwas abseits der Küste. Manche Buchten sind deshalb von oben nicht einsehbar, wie die herrliche Spiaggia di Vignanotica.
Zu dem von hohen Kalkklippen gesäumten Kiesstrand führt eine recht steile Zufahrt hinab zu einem küstennahen Parkplatz. Schöner ist es, eine Wanderung zu dieser tollen Badebucht zu machen, denn ein gut ausgebauter Weg führt auf halber Höhe der Klippen rund um den Fels. Von dort genießt man ein spektakuläres Panorama, auch auf die öffentlich unzugängliche Baia Zagare mit Luxusresort und pilzförmigen Felsformationen. Der Weg startet bei Kilometer 17,4 der Küstenstraße SP 53 an einer Haarnadelkurve. Parkplätze gibt es ein Stück weiter abwärts.

Castel del Monte, heute UNESCO Weltkulturerbe, gehört zwar nicht mehr zum Gargano, lohnt aber einen Abstecher. Die gewaltige Trutzburg mit ihren acht achteckigen Türmen liegt 150 Kilometer südlich von Vieste, eine Strecke, für die man fast drei Stunden braucht. Zu Füßen des Kastells gibt es verschiedene Übernachtungs-Stellplätze. Shuttlebusse fahren von dort direkt bis zur Burg. Die „steinerne Krone Apuliens“ wurde um 1240 im Auftrag des Stauferkaisers Friedrich II. errichtet, der als Zeichen seiner Macht das ganze Land mit Burgen überziehen ließ.  Auch Castel del Monte war in erster Linie ein Repräsentationsbau. Nach 800 Jahren hat das Meisterwerk nichts von seiner Faszination eingebüßt. Audioguides vermitteln bei der Besichtigung alles Wissenswerte über die Burg und ihre Geschichte, den außergewöhnlichen Kaiser und seine Epoche. Unser Tipp: Wer die Nacht beim Kastell verbringt, sollte einen abendlichen Ausflug zum 33 Kilometer entfernten zauberhaften Küstenort Trani unternehmen. In der Altstadt gibt es eine beeindruckende Kathedrale direkt am Meer, viele edle Boutiquen und gute Restaurants mit Blick auf den Hafen. Die Fischer verkaufen ihren Fang direkt vom Kutter.

Ein langer Weg, der sich lohnt

Anreise: Der Weg zum Gargano ist weit, aber angenehm. Vom Brennerpass sind es 1000 Kilometer bis zur Spornspitze, davon kann man 900 auf Autobahnen zurücklegen, die allerdings mautpflichtig sind. Von der A-14-Abfahrt Poggio Imperiale bis zur Spornspitze bei Vieste sind es gerade mal 75 Kilometer und etwa ebenso viele von Vieste bis nach Manfredonia, der großen Stadt in der Ebene südlich des Gargano-Gebirges. Trotzdem ist man mit dem Caravan-Gespann gut zwei Stunden unterwegs, obwohl die Schnellstraße oberhalb der großen Lagunen-Seen Lago di Lèsina und Lago di Varano gut ausgebaut ist. Kurz vor dem Bergort Vico de Gargano wird die Straße schmal und steil. Der vergleichsweise kurze Abschnitt bis zur Hafenstadt Peschici hat mehrere Kehren. Die atemberaubende Aussicht entschädigt nur bedingt für den Nervenkitzel bei der Passage mit Gespann. Leider ist die Strecke alternativlos. Grundsätzlich wichtig: Unbedingt der Beschilderung folgen! Nicht aufs Navigationsgerät vertrauen, das als kürzeste Verbindung bei Vico extrem steile Nebenstraßen empfiehlt, die für Campingfahrzeuge ausdrücklich unzulässig und auch nicht zu bewältigen sind. Wer die Garganospitze von Süden her ansteuert, hat ebenfalls enge Kurven zu passieren, obwohl zwischen Manfredonia und Mattinata einige Tunnel die Fahrt erleichtern.

Buchtipp: Die komplett überarbeitete 9. Auflage des detailreichen Reiseführers „Apulien“ von Andreas Haller ist 2018 im Michael Müller Verlag zum Preis von 21,90 Euro erschienen. Als E-Book (EPUB) kostet das Werk 17,99 Euro.

Campingplätze: (ab April geöffnet)

1. Holiday Village

Der mittelgroße lang gestreckte Platz liegt etwa auf halbem Weg zwischen Peschici und Vieste zwischen der schmalen Uferstraße und dem Strand. Viele der 160 Stellplätze bieten Blick auf die romantische Sfinale Bucht. An vorderster Front spenden streckenweise Mattendächer Schatten, im hinteren Teil stehen Kiefern und Eukalyptusbäume. Einfache saubere Sanitäranlagen, teils renovierungsbedürftig, Restaurant eröffnet in Hochsaison, Spielplatz, WLAN im Rezeptionsbereich. Preise richten sich nach Saison, Stellplatz-Größe und Lage.

Località Baia di Sfinale - Strada provinciale 52,
Vieste 71019 (FG)
Tel. +39 0884 70 61 38
Öffnungszeit: Ostern - 15.10.

www.holidayvillagevieste.it

2. Camping Umbramare

Kleiner Platz mit 80 Stellplätzen. Sechs davon grenzen unmittelbar an den Strand. An vorderster Front spenden Mattendächer Schatten, im hinteren Teil stehen Bäume. Etwas enge Parzellen für bis zu 8 m lange Fahrzeuge. Einfache saubere Sanitäranlagen, kleiner Laden, Restaurant, kleiner Spielplatz, Surfschule, Internethotspot.

Santa Maria di Merino nördlich Vieste,
Tel. +39 0884 70 61 74
Öffnungszeit: Anfang April bis Ende September.

www.umbramarevieste.it.

3. Camping Adriatico

Camping-Feriendorf fußläufig zum Stadtkern von Vieste, durch Straße und Promenade vom Sandstrand getrennt. Bäume spenden Schatten, sorgen aber auch für Enge beim Rangieren. Imbiss-Stube, Pizzeria, Bar am Platz, Minimarkt 50 m. Einfache Sanitäranlagen, Kinderspielplatz, Beach-Volleyball, Surfschule, Internet-Hotspot.

2 km südlich Vieste an der Küstenstraße nach Mattinata
Tel. +39 0884 70 09 54
Öffnungszeit: 1.4. - 31.10.

www.campingadriatico.it

4. Übernachtungsmöglichkeit beim Castel del Montee

Parkplatz an der SS 170 ca. 1 km südlich des Kastells. Die große Wiese für Pkw und Reisebusse verfügt im rückwärtigen Teil auch über ein separates Areal mit parzellierten Stellplätzen für Reisemobile und Gespanne. Das Tor wird nachts verschlossen, ist aber per Hand zu öffnen, so dass man nach einem abendlichen Pkw-Ausflug wieder aufs Gelände gelangen kann. Übernachtungspreis mit Strom 13 Euro, Busshuttle zum Kastell inklusive.

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