Reif für die Insel?

Lühesand

Germany

Sand, wilde Rosen, Vogelgezwitscher und rundum Elbe – vor den Toren Hamburgs liegt auf der Insel Lühesand ein außergewöhnlicher Campingplatz. Genau der richtige Ort um abzuschalten.

Impressionen

Lühesand ist ein Naturparadies im Strom. Nur per Schiff zu erreichen. Ohne eine einzige Straße. Die Autos der Besucher, ja selbst Fahrräder, müssen auf einem Parkplatz hinter dem Elbdeich zurückbleiben. Wer hier her kommt, will genau das: Ruhe, Abgeschiedenheit, Ursprünglichkeit. Die Insel schafft Distanz zum Alltag. Denn die Fahrt nach Lühesand
ist auch eine Zeitreise, obwohl das Übersetzen gerade mal zwei Minuten dauert.

Holger Blohm lenkt den Bug der „Smuttje“ am Anleger bei Grünendeich mit Schwung in den Schlick. Die Tide bestimmt, an welcher Stufe des Stegs festgemacht wird. Jetzt, bei Ebbe, ist es die niedrigste. Das ehemalige chinesische Rettungsboot ist nun schon seit einem halben Jahrhundert als Personenfähre vor dem Alten Land im Einsatz. Für zwei Euro pro Nase transportiert Holger Blohm Ausflügler und Camper hin und zurück. Für den Transport von Caravans und Reisemobilen besitzt Holger Blohm eine größere Fähre. „Sottje II“ ist wegen ihres Tiefgangs aber nur bei Flut zu nutzen. Kurzzeitcamper müssen sich deshalb bei Holger Blohm anmelden und eine feste Uhrzeit für die An- und Abreise vereinbaren. Weil die Passage aufwändig ist, beträgt die Mindestaufenthaltsdauer auf der Insel vier Tage.

Links: Das ehemalige chinesische Rettungsboot „Smuttje“ dient Holger Blohm als Personenfähre zur Beförderung seiner Gäste. Mitte: Kai-Uwe und Iris Gosch betreiben das Insel-Restaurant. Rechts: Zum Transport von Camping-Gepäck stehen Karren bereit.

Holger Blohm ist Fährmann, Gastronom und Platzwart in Personalunion. Der Campingplatz, eröffnet 1933, bestimmt sein Leben seit Kindesbeinen. Holger ist hier aufgewachsen. Seit 1987 leitet er den Familienbetrieb in dritter Generation. In den Sommermonaten lebt er im ersten Stock über der Gaststätte, die auf der höchsten Erhebung der Insel thront. Zurzeit stehen 55 Caravans und Klapphütten von Dauercampern auf dem weitläufigen Areal.

Unterstützung bekommt Holger Blohm von Jugendfreund Kai-Uwe Gosch, der auch Pächter des Restaurants ist, das er gemeinsam mit Ehefrau Iris und Sohn Patrick betreibt. Auf der Speisekarte steht Hausmannskost: Suppen, Currywurst, Bauernfrühstück, Schnitzel und Kibbelinge, frittierte kleine Fischfilets. Nachmittags gibt es Kuchen. Alles schmackhaft und günstig. Kai-Uwe Gosch kümmert sich auch um die beiden Mietwohnwagen, die es inzwischen auf Lühesand gibt.

Wer es schick und mondän mag, ist auf der Flussinsel ohnehin fehl am Platz. Kaum vorstellbar, dass die boomende Metropole Hamburg nur ein paar Kilometer stromauf liegt. Auf Lühesand ist alles wie es immer war – einfach und bescheiden. Die letzte Renovierung der Sanitäranlagen muss Jahrzehnte her sein, aber sie sind funktionstüchtig und sehr sauber. Die Stellflächen haben keinen Stromanschluss. Muss auch nicht, meinen die Camper. Jeder versorgt sich selbst mit eigener Solaranlage. „Das ist kein Problem, dank
moderner Technik wird ja viel weniger Strom verbraucht als früher“, sagt Carsten Runge. Er verbringt seit drei Jahrzehnten Wochenenden und Ferien auf der Insel. Die Sommer hier in der Wildnis seien einfach wunderbar, schwärmt er. Zumal bei Ebbe an der dem Land zugewandten Seite für kurze Zeit eine Sandbank auftaucht, von der aus man zum Baden ins Wasser gehen kann. Runges Caravan steht auf einer kleinen Warft mit grandiosem Blick auf das Hauptfahrwasser. Kreuzfahrtriesen, Tanker und Containerschiffe
ziehen scheinbar zum Greifen nah vorbei. Als ehemaliger Werftarbeiter gehört das Schiffe-Gucken zu Runges Lieblingsbeschäftigungen.

Auch wenn manche Camper am liebsten immer auf „ihrer“ Insel leben würden, müssen sie sich damit abfinden, dass Ganzjahrescamping nicht möglich ist. Denn die Insel hat keinen Deich und wird daher im Winter oft überschwemmt. Deshalb müssen alle Klapphütten nach der Saison abgebaut und die Wohnwagen aufs Festland gebracht werden.

Text und Fotos: Martina Berliner

Ein Hobby mit Elbblick

Camping und Anreise

Auskunft zu Fährzeiten und zum Campingplatz erteilt Holger Blohm unter Telefon 0178-35 08 137. Bei Fragen zum Gasthaus und den Mietwohnwagen steht Familie Gosch unter Tel. 04 142-88 00 441 oder 0176-24 60 69 85 zur Verfügung. Weitere Infos zum Campingplatz und zur Insel gibt es unter:

www.luehesand.de

Mietwohnwagen

Für Inselfans, die kein eigenes Fahrzeug besitzen, aber trotzdem bequem auf Lühesand campen möchten, gibt es seit kurzem zwei Mietcaravans mit Stromanschluss. Beide stammen von ehemaligen Dauercampern. „Die Wohnwagen haben von Beginn an jedes Jahr von Ende März bis Anfang Oktober hier gestanden. Der Pflegezustand ist super, alles funktioniert“, sagt Kai-Uwe Gosch, der vor dem schmucken Hobby- Caravan ein Segel montiert hat, das vor Sonne und Regen gleichermaßen schützt. Die 40 Quadratmeter große Holzterrasse vor dem geräumigen Doppelachser Hobby PRESTIGE 610 UL, Baujahr 1997, sorgt für Komfort unter freiem Himmel und bietet eine fantastische Sicht auf die Elbe. Der gepflegte Oldtimer aus Fockbek überzeugt aber auch durch sein gediegenes Interieur mit gemütlicher Rundsitzgruppe, voll ausgestatteter Küche und komfortablem Einzelbetten- Schlafzimmer. Das nostalgische Flair des 22 Jahre alten Caravans passt perfekt zum Campingplatz und zum besonderen Charme der Elbinsel Lühesand.

Inselgeschichte

Die Elbinsel Lühesand südöstlich von Stade ist drei Kilometer lang und aus ehemaligen Sandbänken vor der Mündung der Lühe entstanden. Vor Jahrzehnten wurde zusätzlich
Baggergut vom Vertiefen der Fahrrinne aufgespült. Der südöstliche Teil der Insel ist seit Mitte der 1960er-Jahre Landschaftsschutzgebiet. Bis vor Kurzem wurde das Areal vom NABU betreut, heute weiden dort Galloway-Rinder eines Jorker Biobauern. Auf dem höher gelegenen nordöstlichen Teil gibt es eine kleine Siedlung fester Wochenendhütten. Auf der Insel stehen zwei hohe Stromleitungsmasten.

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